Tontechnik für die Blasmusik (5): „Die Mikrofonierung – Das richtige Mikrophon am richtigen Platz: Die Blechbläser“

Einleitung

Achtung Spoiler: „Mikrofonstandort und Richtcharakteristik der Instrumente haben einen größeren Einfluss auf die Aufnahmen als die Mikrofonwahl; dies gilt in erster Linie bei relativ geringem Mikrofonabstand, es gilt also besonders bei der Anwendung von Einzelmikrofonen (Polymikrofonie)“ (Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik Band 1, 5., völlig neubearbeitete und ergänzte Auflage, S.97 – K G Saur 1987).

Genau darum soll es in dieser Ausgabe des Workshops „Tontechnik in der Blasmusik“ gehen:

Die Einzelmikrofonierung von Instrumenten am Beispiel von Blechblasinstrumenten.

Wie oben bereits dargestellt spielt die Richtcharakteristik der Instrumente eine entscheidende Rolle. Die Richtcharakteristik ist abhängig von der Art der Tonerzeugung und Konstruktion des Instruments. Die klassische Unterteilung in Holz- und Blechblasinstrumente soll hier etwas differenzierter dargestellt werden:

Lippeninstrumente (Blechblasinstrumente) -
der Ton wird direkt durch die Lippen am Mundstück des Instruments erzeugt und durch ein Exponentialhorn verstärkt: Trompete, Posaune, Tuba, Horn…

Rohrblattinstrumente (Holzblasinstrumente) -
der Ton wird durch Einfach- oder Doppelrohrblatt erzeugt und durch eine offene zylindrische oder konische Schallröhre mit Tonlochöffnungen geleitet: Klarinette, Saxophon, Oboe, Fagott…

Labialinstrumente (Holzblasinstrumente) -
der Ton wird erzeugt durch das Anblasen einer scharfen Kante wodurch die Luft zum Schwingen angeregt wird: Querflöte, Blockflöte, Kirchenorgel

Allen Instrumenten gemeinsam ist der Anteil von Formanten am charakteristischen Klang. Als Formanten werden bestimmte Frequenzbereiche eines Tones bezeichnet, bei dem die Teil- (oder Ober-) Töne unabhängig von der Lage des Grundtons, hervortreten. Einfach formuliert, sind die Formanten dafür verantwortlich, dass sich ein Blasinstrument nach einem Blasinstrument anhört und nicht wie ein MIDI-File

Auf der Suche nach dem richtigen Platz

Um den richtigen Platz, die richtige Ausrichtung eines Mikrofons zu finden, müssen einige instrumentenspezifische Eigenarten berücksichtig werden. So verhalten sich zum Beispiel nicht alle Lippeninstrumente (Blechblasinstrumente) gleich im Abstrahlveralten der erzeugten Töne, im Dynamikumfang oder dem abgedeckten Frequenzspektrum. Außerdem ist zu beachten, dass sich das Frequenzspektrum und die Obertonzusammensetzung auch mit der Dynamik der Tonerzeugung verändern. Laute Töne weisen so etwa andere Obertonzusammensetzungen und Formanten auf als leise gespielte Töne.

Charakteristische Eigenarten von Lippeninstrumenten

Trompete / Flügelhorn:

Der Grundtonbereich der Trompete liegt zwischen den Tönen e bis etwa d‘‘‘ (165 Hz– ca. 1175 Hz). Die Trompete ist sehr obertonreich, Frequenzen reichen im ff bis zu 15 kHz. Die Formanten liegen zwischen 1200 Hz– 1500 Hz sowie 2000 Hz und 3000 Hz Schalldruckpegel von 145 dB und mehr an der Stürze (Trichter) können durch eine Vergrößerung des Abstands auf 30 – 40 cm auf ca. 135 dB, bei 1 m Abstand auf 125 dB reduziert werden.

Da der Tieftonbereich erst bei 165 Hz beginnt, empfiehlt sich der Einsatz eines Lowcuts bis zum genannten Frequenzbereich. Die Abstrahlcharakteristik ist frequenzabhängig und rotationssymmetrisch. Durch die Stürze werden auch tiefere Frequenzen gebündelt, so dass bereits um 500 Hz Richtwirkung festzustellen ist. Bei höheren Frequenzen nimmt die Richtwirkung zu. Bei ca. 1000 Hz beträgt der Abstrahlwinkel ca. 90°, bei 3000 Hz noch 45° und ab 4000 Hz nur noch rd. 30°.

Dementsprechend ist der Klangcharakter im Zentrum der Stürze geprägt durch hohe Klanganteile. Er wirkt dadurch eher hell und scharf. Mit zunehmender Entfernung aus dem Zentrum nehmen die tiefen Klanganteile zu, der Klang wird dunkler bzw. dumpfer. Mit einem Flügelhorn zeigt meine bezaubernde Assistentin Franziska, in der folgenden Darstellung, das frequenzabhängige Abstrahlverhalten.

Posaune:

Die Posaune hat einen tieferen Tonumfang als die Trompete von 82 Hz bis knapp über 500 Hz. Die Obertonstruktur ist schwächer ausgebildet als bei der Trompete und geht von 5 kHz im mf bis ca. 10 kHz im ff. Die Formanten der Posaune liegen bei 480 Hz– 600 Hz und 1200 Hz. Das Abstrahlverhalten ist ähnlich dem der Trompete, aber zu den tiefen Frequenzen hin verschoben. Der maximale Schallpegel liegt unter dem der Trompete bei ca. 110 dB auf 1 Meter.

Tuba:

Der Grundtonumfang der Tuba reicht von B‘‘ bis etwa a‘ (29 Hz– ca. 440 Hz). Die Tuba ist obertonreich, allerdings ist die Obertonstruktur noch schwächer ausgeprägt als die der Posaune und reicht nur bis ca. 2 kHz. Die Formanten liegen bei 210 Hz- 250 Hz. Die maximale Lautstärke kann auf 1 Meter bis zu 100 dB erreichen. Die Schallbündelung der Tuba ist noch ausgeprägter als bei der Posaune, so dass das Abstrahlverhalten schon ab ca. 75 Hz gerichtet erfolgt – bei 2000 Hz beträgt der Abstrahlwinkel nur noch ca. 30°.

Mikrofonauswahl und Mikrofonplatzierung:

Dynamische Niere?

Wie auf der Abbildung oben zu sehen ist, lässt sich ein Mikrofon idealerweise etwas außerhalb der Achse der Stütze in einem Abstand von 30 cm bis zu 1 m platzieren. Die genaue Position ist abhängig von der gewünschten Klangfarbe. Zur Auswahl bieten sich entweder Dynamische Mikrofone mit Richtcharakteristik Niere an – hier kann bei entsprechender Mikrofondisziplin auch ein Mikrofon für zwei Trompeten verwendet werden. Der Vorteil dieser Mikrofone liegt zum einen in der Pegelfestigkeit, zum anderen ist die Klangverfärbung eines Mikrofons mit Nierencharakteristik auch bei seitlichem Einspielen nicht so stark ausgeprägt, wie bei einem stärker gerichteten Mikrofon. Zum Schluss lässt eine Variation des Abstandes und Einspielwinkel zum Mikrofon Variationen in Klangfarbe und Dynamik während des Spielens zu

Oder lieber ein Clip-Mikro?

Für eine stärkere klangliche Trennung ist die Verwendung eines Clip-Mikrofons mit ausgeprägter Richtcharakteristik (Hyperniere) zu empfehlen. Nach Ausrichtung auf den gewünschten Klangbereich wird durch die Clipbefestigung die Position des Mikrofons nicht mehr verändert und sorgt so für einen konstanten Ton. Insbesondere bei nach oben abstrahlenden Instrumenten wie Tuba und Tenor bzw. Baritonhörnern ist die Verwendung eines Clip-Mikrofons vorteilhaft, da das „Zielen“ auf das Mikrofon im Stativ entfällt, wodurch eine gewisse Bewegungsfreiheit gegeben ist. Nachteil von Clip-Mikrofonen ist, dass die Dynamik im Spiel, aufgrund der festen Position zum Instrument, nur durch die Spielweise und nicht durch die Veränderung des Abstands zum Mikrofon verändert werden kann.

Oder doch ein Kondensator Mikrofon?

Aufgrund des Obertonspektrums der Instrumente ist ein adäquaten Frequenzbereich und Frequenzverlauf der Mikrofone zu beachten. So sollten insbesondere die Formantbereiche nicht über- oder unterbetont wiedergegeben werden, um eine Klangverfärbung zu vermeiden. Hier sprechen der ausgeglichene Frequenzgang und die besonders gute Auflösung für die Verwendung eines Kondensatormikrofons. Wie bereits oben erwähnt ist das möglich, wenn auf eine entsprechende Pegelfestigkeit geachtet wird. Grundsätzlich lassen sich mit Kondensatormikrophonen hervorragende Ergebnisse an Blechblasinstrumenten erzielen. es sollte jedoch bedacht werden, dass im klanglichen Kontext eines Orchesters die Empfindlichkeit eines Kondensatormikrophons zu unerwünschten Übersprechungseffekten führen kann, daher würde dieses dann eher mit einer gerichteten Hypernierencharakteristik Einsatz finden.

Fazit:

Wie oben bereits verraten: Entscheidend ist die richtige Position und Ausrichtung des Mikrofons zum Instrument. Und die lässt sich am einfachsten durch Ausprobieren finden. Anregungen dazu sollen die folgenden Abbildungen sein auf denen die Positionierungsmöglichkeiten eines Clip-Mikrofons oder die Verwendung von „stationären“ Mikrofonen im Stativ im Einsatz mit Notenpulten zu sehen sind. Insbesondere bei der Verwendung von Notenpulten haben sich niedrige bzw. halbhohe Stative bewährt, die unterhalb der Notenpulte stehen können. Bei nach oben gerichteten Schalltrichtern empfehlen sich eher konventionelle Stative.
    
Viel Erfolg beim Finden des schönsten Platzes für den schönsten Ton.

Bis dahin, keep on rockin‘
Jürgen Wieching